Ich weiß nicht was soll es bedeuten ...
Hast du dich auch schon mal gefragt, warum ein Sempervivum diesen und keinen anderen Namen hat? Manchmal ist die Antwort ganz einfach. Da heißt z.B. ein Sempervivum "Karin" weil die Frau des Züchters Karin heißt.
Aber warum, so frage ich mich, heißt ein Sempervivum "Lorelei"?
Ich kenne eine Lorelei aus meiner Kindheit. Meine Eltern haben früher mit uns 4 Kindern öfters einen Ausflug an den Rhein gemacht. Unterwegs zeigte uns der Vater den Felsen namens Lorelei und die Mutter erzählte uns die schaurig schöne Geschichte von der Nixe mit gleichem Namen. Sie saß ganz oben auf dem Felsen, so berichtete sie, und kämmte ihr langes, seidenes, blondes Haar mit einem güldenen Kamm. Wenn ein Schiff vorüberzog, konnte der Steuermann seinen Blick nicht von der Schönen lassen und verlor die Beherrschung über sein Gefährt. Dieses lief dann auf einem Felsen auf und sank und alle die im Schiff waren ertranken.
Die Lorelei aus meiner Kindheit war hell, geheimnisvoll und strahlend schön. Mein Sempervivum "Lorelei" ist auch schön, aber von einem dunkelsten Dunkel.
Sempervivum heuffelii "Lorelei" - auch Jovibarba heuffelii "Lorelei".
Züchter: Cornelis Versteeg (NL), 1988.
Foto vom 12. Juni 2009
Leider kann ich Herrn Versteeg nicht mehr fragen, was ihn bewog, seiner Pflanze diesen Namen zu geben, denn er ist 2009 verstorben.
Und so machte ich mich nach vielen Jahren noch einmal auf den Weg zum Rhein um vielleicht dort eine Antwort auf meine Frage zu bekommen.
Nach gut einer Stunde sind wir in St. Goar angekommen. Sofort entdeckte ich das Café "Lorelei". "Ob dort wohl schon die Antwort zu finden ist?", fragte ich mich. So nahmen wir erst einmal draußen auf einem der Stühle Platz.
Ich bestellte mir einen Bananensplit, wie ich es wahrscheinlich auch vor über 40 Jahren getan hätte. Und tatsächlich - ich bekam eine Kreation, wie man sie in den 60ziger Jahren servierte: 3 Vanillebällchen aus der Plastik-Box, 1 Banane einmal quer aufgeschnitten, viel zu viel Sahne und eine zähe Schokoladensoße aus der Flasche.
Zumindest die Schokolade hatte eine farbliche Ähnlichkeit mit meinem Sempervivum. Ich beschloss weiter zu suchen.
In den Straßen von St. Goar spürte ich im Nacken einen neugierigen Blick.
Früher hielten sich die Bewohner des Dorfes in den engen Gassen Ziegen. Die Milch der Tiere war so wertvoll, dass man es sich nicht nehmen ließ, ihnen ein pfiffiges Denkmal zu schaffen.
Durch dieses Tor
ging es aus dem Ort hinaus und weiter über viele, viele Stufen
dem Gipfel entgegen. Wir kamen an der Burg Katz vorbei. Hinter der maroden Mauer steht ein wunderschönes Anwesen, das man leider nicht betreten darf. Ein Japaner hat es vor einigen Jahren gekauft und neu ausgebaut und niemand darf sehen, wie er jetzt lebt. Schade eigentlich!
Auf der Nordseite des Felsen haben sich ganze Kolonien von Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) angesiedelt.
Und dann sind wir oben angelangt. Auf ca. 130m Höhe ü.d.M. gibt es noch saftiges Grün und die Gehölze haben keinen Krüppelwuchs.
Und dann kam der nächste Hinweis ...
ein Riesenschild! Und wieder lese ich Lorelei - mit einem "Y"!
Beim Café unten im Ort habe ich es einfach überlesen. Wollte es nicht wahrhaben ... Aber hier wird es ganz offensichtlich: die Lorelei - äh Loreley - schreibt sich wohl mit einem "Y"! Zweifel befallen mich. Bin ich auf der falschen Fährte? Etwas entmutigt setzte ich meine Suche fort. Jetzt würde mich nur noch der Fund eines echten Sempervivum heuffelii's aufheitern!
Aber ich fand nur ein paar Verwandte aus der Familie der Dickblattgewächse:
die große Fetthenne (Sedum telephium oder Hylotelethium telephium ssp. maximum) und weißer Mauerpfeffer (Sedum album).
Und dann sind wir oben auf der neuen Plattform der Lorelei - von mir aus auch Loreley - angekommen.
Die Aussicht von dort war für mich als Rhein-Fan grandios!
Nach einem kleinen Rundgang entdeckte ich noch eine Loreley:
Sie erschien mir sehr mächtig und herrisch. Die Lorelei aus meiner Kindheit ist in meiner Erinnerung viel lieblicher gewesen. Wenn die echte Loreley wirklich so aussah wie die Gipsstatue des italienischen Künstlers aus dem Jahre 1979, haben die Schiffer ihre Boote wohl eher vor Angst und Schrecken in den Sand gesetzt.
Auf dem Rückweg zu unserem motorisierten Zweirad muss ich mir eingestehen, dass ich auf meine Frage warum Herr Versteeg sein Sempervivum "Lorelei" genannt hat, keine Antwort gefunden habe. Und so starteten wir wieder in Richtung Heimat.
Doch: "Halt! Bleib mal stehen!!!" Im letzten Moment tippte ich meinem Mann auf die Schulter und bewegte ihn dazu anzuhalten.
Mitten auf einer Insel im Rhein sehe ich sie:
Jawohl! Das ist sie! So habe ich sie mir vorgestellt. Geheimnisvoll und von anmutiger Gestalt. Und ... : sie ist nicht blond. Sie ist vom dunkelsten Dunkel - wie das Sempervivum von Herrn Versteeg und mir. Ich glaube ich bin dem Geheimnis doch noch auf die Spur gekommen.
Glückseelig schalte ich zuhause den Computer an und schaue nach, was Wikipedia noch zu berichten weiß. Die schwarze Statue war ein Geschenk einer (russischen?) Prinzessin aus dem Jahre 1983. Das passt! Herr Versteeg könnte die schwarze Schönheit gesehen haben, bevor er seiner Züchtung 1988 den Namen Lorelei gab.
Weiterhin erfahre ich, dass in der keltischen Sprache ein schwarzer Schiefer-Fels als "Ley" bezeichnet wurde. Na also! Bei "Lore" ist man sich nicht einig. Aber lest doch selbst:
Vorher lasst euch aber noch etwas von mir berichten: ich habe ein allerletztes Indiz gefunden, das beweist, dass ich mit meiner These richtig liege! Bei Wikipedia steht nämlich, dass die Lorelay auch Lorelei, Lore-Ley, Lurelei oder Lurlei genannt wird. Überhaupt - da steht auch, dass noch viele andere Schreibweisen möglich sind.
Aber bitte liebe Leute: nicht bei uns - nicht in der Sempervivum-Liste!!!
Wir haben es uns doch zum Ziel gemacht, alle falsch deklarierten Sorten richtig zu stellen und Fantasienamen auszurotten.
In diesem Sinne freue ich mich über ein weiteres Jahr mit euch und über viele schöne Bilder und Beiträge von und mit Sempervivum.
Lorelei am 25.09.2009
Lorelei nach ihrer "Schwangerschaft" am 30.12.2011
Mein Sempervivum "Lorelei" habe ich mir übrigens 2009 bei Volkmar Schara gekauft. Ich war in seiner kleinen Sempervivum-Gärtnerei anläßlich des Treffens der GdS, Abteilung Sempervivum im Mai 2009.
Eure Anne majoRahn im Januar 2012